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Aktuelles zur Massen­entlassungs­anzeige

Peter C. Piesche
15. August 2023
Aktuelles zur Massen­entlassungs­anzeige

Der Hintergrund: Die Tücken der Massenentlassungsanzeige sind vielfältig: Nach der bislang geltenden strengen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) führten bislang bereits kleinste Formfehler der Massenentlassungsanzeige regelmäßig zur Unwirksamkeit ausgesprochener Kündigungen. Da das Verfahren der Massenentlassungsanzeige nach § 17 Kündigungsschutzgesetz (KSchG) komplex und formalistisch ausgestaltet ist, sind Fehler bei der Abfassung der Massenentlassungsanzeige regelmäßig Gegenstand der BAG-Rechtsprechung. Nun jedoch könnte die bisherige BAG-Rechtsprechung vor einem grundlegenden Wandel stehen:

Der Fall: In dem deutschen Vorlageverfahren ging es darum, ob die Nichtweiterleitung der Betriebsratskonsultation an die Agentur für Arbeit entgegen der gesetzlich vorgesehenen Verpflichtung aus § 17 Abs. 3 KSchG im Vorfeld der Massenentlassung bereits als Verstoß mit der Unwirksamkeitsfolge der individuellen Beendigungskündigungen anzusehen war.

Die Entscheidung: Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat in seiner Entscheidung vom 13.07.2023 (Az. C-134/22) klargestellt, dass die Massenentlassungsrichtlinie (Richtlinie 98/59/IG) keinen Individualrechtsschutz verleiht und ein Verstoß dagegen gerade nicht zur Unwirksamkeit der jeweiligen Kündigung führt. Der EuGH hat somit der bisherigen Rechtsprechung des BAG eine klare Absage erteilt.

Der Ausblick für die Zukunft: Ob und inwieweit diese Aussagen auch auf sonstige Fehlerkonstellationen des komplexen Massenentlassungsanzeigeverfahrens nach § 17 KSchG Auswirkung haben, lässt sich aktuell nicht abschließend vorhersagen. Dies gilt insbesondere dann, wenn eine Massenentlassungsanzeige z.B. in Gänze fehlerhaft unterblieben ist. Ein derartiges Verfahren wurde aktuell durch das BAG vor dem Hintergrund des nun entschiedenen Vorlageverfahrens C-134/22 ausgesetzt. Ob und inwieweit nunmehr eine vollumfängliche Kehrtwende in der Rechtsprechung des BAG zur Frage der Auswirkungen von Fehlern im Massenentlassungsverfahren auf die Wirksamkeit individueller Kündigungen zu erwarten steht, lässt sich aktuell nicht abschließend vorhersagen. Eines dürfte jedoch feststehen: Auch, wenn einiges für eine Änderung der bisherigen Sichtweise des BAG spricht, so ist Arbeitgebern vor dem Hintergrund der komplexen Rechtslage weiterhin dringend zu empfehlen, gerade bei der Erstellung der Massenentlassungsanzeige besondere Sorgfalt walten zu lassen. Jedenfalls bislang führen (grundlegende) Fehler im Massenentlassungsanzeigeverfahren dazu, dass die individuellen Kündigungen unwirksam sein können. Dies sollte jedoch in jedem Falle vermieden werden, sodass sich eine rechtzeitige Beratung auch weiterhin auszahlt.

Unsere arbeitsrechtlichen Experten unterstützen Sie gerne bei allen Fragen des Kündigungsrechts. Wir unterstützen und beraten Arbeitgeber bei der Vorbereitung und Umsetzung von Betriebsänderungen im individuellen und kollektiven Arbeitsrecht, dies sowohl im außergerichtlichen, als auch im gerichtlichen Bereich. Ebenso beraten und vertreten wir Arbeitnehmer/innen bei Verhandlungen rund um die Auflösung des Arbeitsverhältnisses, ebenso wie bei der aktiven Durchführung von Kündigungsschutzprozessen und der Durchsetzung von Abfindungszahlungen.

Kommen Sie bei allen Fragen zum Arbeitsrecht gerne auf uns zu!

Ein Beitrag von Rechtsanwalt Peter Piesche, Fachanwalt für Arbeitsrecht und Partner der Mannheimer Wirtschaftskanzlei Pabst Lorenz + Partner PartG mbB
Mannheim, 14.08.2023