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Verwirrung um Urlaubsabgeltung: Neuste Urteile des Bundesarbeitsgerichts

Jan-Frederic Becker
6. März 2023
Verwirrung um Urlaubsabgeltung: Neuste Urteile des Bundesarbeitsgerichts

Kurz vor Weihnachten, am 20. Dezember 2022, sorgte das Bundesarbeitsgericht (BAG) mit richtungsweisenden Entscheidungen für Änderungen im Recht der Urlaubsabgeltung – und sorgte hierdurch bei Arbeitgebern und Personalverantwortlichen für mittlere bis große Verwirrung.

Mit seiner Entscheidung vom 20. Dezember 2022, Az. 9 AZR 266/20 stellte das BAG zunächst fest, dass Urlaubsansprüche grundsätzlich weiterhin verjähren bzw. verfallen können. Das BAG folgte aber einer vorangegangenen Entscheidung des europäischen Gerichtshofs (EuGH) und stellte fest, dass dies nur dann gilt, wenn der Arbeitnehmer vorher vom Arbeitgeber über den Verfall informiert wurde. Im zu entscheidenden Fall hatte es der Arbeitgeber in der Vergangenheit unterlassen, der Arbeitnehmerin den Verfall ihrer Urlaubsansprüche schriftlich anzukündigen. Eine Verjährung der Urlaubsansprüche wurde deshalb vom BAG abgelehnt, die Mitarbeiterin konnte noch Jahre zurückliegende Urlaubsansprüche gegen ihren Arbeitgeber geltend machen.

Mit Entscheidung vom 31. Januar 2023, Az. 9 AZR 456/20 hat das BAG nunmehr klargestellt, dass diese Hinweispflicht logischerweise zumindest dann endet, wenn das Arbeitsverhältnis beendet wird. D. h., dass die Frist der Verjährung des Urlaubsanspruches mit dem Ende des Jahres beginnt, in dem der Arbeitnehmer aus dem Arbeitsverhältnis ausscheidet. Sollte daher nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses noch Resturlaub bestehen, kann dieser noch in den folgenden 3 Jahren geltend gemacht werden.

Auch bei einer Dauererkrankung verfällt der Urlaub fortan nicht mehr automatisch nach 15 Monaten, wie bisher. Das BAG hat hier mit einer anderen Entscheidung vom 20. Dezember 2022, Az. 9 AZR 245/19 seine frühere Rechtsprechung geändert. Früher verfielen Urlaubsansprüche während einer Dauererkrankung automatisch nach 15 Monaten, also dem 31. März des Folgejahres, nachdem der Urlaubsanspruch entstanden war. Das sieht das BAG heute nicht mehr so. Den höchsten deutschen Arbeitsrichtern kommt es fortan darauf an, ob in dem ursprünglichen Jahr, in dem der Urlaubsanspruch entstanden war, noch gearbeitet wurde, oder nicht. Wenn noch gearbeitet wurde, hätte der Arbeitnehmer – wäre er denn vom Arbeitgeber auf den Verfall hingewiesen worden – seinen Urlaub hypothetisch noch nehmen können.

Um die Verwirrung komplett zu machen folgt noch die letzte Ausnahme: Mit seiner Entscheidung BAG: Urlaubsabgeltung bei Langzeiterkrankung – Hinweisobliegenheit des Arbeitgebers – NZA 2022, 107 hat das BAG festgestellt, dass der gesetzliche Urlaubsanspruch trotz unterbliebenen Aufforderungen und Hinweisen des Arbeitgebers dann nach 15 Monaten verfällt, wenn es dem Arbeitnehmer allein wegen durchgehend krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit nicht möglich war, den Urlaub zu nehmen und er noch während der Dauererkrankung aus dem Arbeitsverhältnis ausscheidet. Dann war der fehlende Hinweis des Arbeitgebers nämlich nicht der Grund, dass der Urlaub nicht genommen wurde – sondern die Krankheit.

Es bleibt also nur festzuhalten, dass das Thema Urlaub komplizierter wurde, als es nicht ohnehin schon war. Die Urlaubsabgeltung richtet sich heute letztlich nicht mehr nach dem Gesetzeswortlaut des Bundesurlaubsgesetzes. Die Urlaubsabgeltung besteht heute aus einer Vielzahl von höchstrichterlichen Entscheidungen des BAG und des EuGH, welche naturgemäß kaum einem Personalverantwortlichen in Gänze bekannt sind.

Wir raten Arbeitgebern und Personalverantwortlichen daher vor allem, jährlich am Anfang des Jahres auf den Verfall nicht genommener Urlaubstage zum 31. März hinzuweisen. Die Rechtsprechung zeigt: im Worst-Case drohen sonst hohe Urlaubsansprüche, Urlaubsrückstellungen oder Urlaubsabgeltungsbeträge.

Unsere arbeitsrechtlichen Experten unterstützen Sie gerne bei allen Fragen des Urlaubsrechts. Wir beraten Sie gerne sowohl mit der Anfertigung entsprechender Schreiben über den Urlaubsverfall, als auch der Berechnung bestehende Urlaubsansprüche. Ferner übernehmen wir gerne die gerichtliche Vertretung gegenüber Urlaubsklagen von (ehemaligen) Arbeitnehmern. Zögern Sie nicht, uns mit entsprechenden Fragen rund um den Urlaubsanspruch jederzeit zu kontaktieren.

Kommen Sie bei Fragen zum Arbeitsrecht gerne auf uns zu!

Ein Beitrag von Rechtsanwalt Jan-Frederic Becker, Rechtsanwalt vom 06.03.2023