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Überraschendes Urteil des BAG: Zur Arbeitszeiterfassung in Betrieben

Alexander Ebert
28. Oktober 2022
Überraschendes Urteil des BAG: Zur Arbeitszeiterfassung in Betrieben

Auch für Fachkreise überraschend hat das Bundesarbeitsgericht am 13.09.22 eine Grundsatzentscheidung zur Arbeitszeiterfassung in deutschen Betrieben getroffen, wonach deutsche Arbeitgeber verpflichtet sind, für eine vollständige Erfassung der Arbeitszeit Ihrer Mitarbeiter zu sorgen – wohlgemerkt entgegen dem Wortlaut des Arbeitszeitgesetztes (ArbZG).

Hintergrund ist das „Stechuhr-Urteil“ des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) vom 14.05.19, nach dem eine genaue Erfassung der Arbeitszeit durch nationale Gesetze sicherzustellen ist. Bislang war lediglich die Erfassung von Überstunden und Sonntagsarbeitszeit gefordert (§ 16 Abs. 2 ArbZG). Bisher ging man in deutschen Betrieben daher nachvollziehbarerweise davon aus, dass das konkrete deutsche Gesetz abzuwarten ist. Die Umsetzung wurde vom Gesetzgeber bis heute zurecht nicht priorisiert.

Mit seiner Entscheidung beendet das BAG dieses pragmatische Vorgehen des Gesetzgebers. Abgeleitet wird die nunmehr postulierte Pflicht zur Arbeitszeiterfassung aus dem Arbeitsschutzgesetz und dem o. g. EuGH-Urteil. Nach Ansicht des BAG besteht diese Pflicht auch ohne klare gesetzliche Regelung schon heute.

Konkret müssen Arbeitgeber deshalb fortan für alle Beschäftigten ein objektives, verlässliches und zugängliches Arbeitszeiterfassungssystem einrichten. Folgerichtig wurde die Vertrauensarbeitszeit von zahlreichen Kommentatoren praktisch für „tot“ erklärt.

Das klare Fazit für Betriebe lautet deshalb: Arbeitszeit ist fortan zu erfassen.

Für Arbeitgeber empfiehlt sich bereits heute, die arbeitszeitrechtlichen Vorgaben und mögliche Dokumentationsmöglichkeiten zu prüfen. Es ist damit zu rechnen, dass der Gesetzgeber kurzfristig reagieren wird. Zwar drohen nach aktuellem Stand noch keine Bußgelder. Das kann sich bei einer Gesetzesänderung aber ändern. Im Übrigen können schon heute Inanspruchnahmen durch Arbeitnehmer oder Prozessrisiken bei Klagen von Arbeitnehmern auf angeblich offene Überstundenvergütung nicht ausgeschlossen werden.

Es empfiehlt sich daher, das Thema Arbeitszeiterfassung schon heute anzugehen. Gerne unterstützen wir Ihren Betrieb hierbei!

Die Autoren sind Rechtsanwälte in der Kanzlei Pabst | Lorenz + Partner mit Standorten in Speyer, Mannheim und Bensheim und stehen Ihnen für die Gestaltung erforderlicher Änderungen in den Arbeitszeitmodellen, aber auch bei anderen arbeitsrechtlichen Fragen, gerne zur Verfügung.

Kommen Sie bei Fragen zum Arbeitsrecht gerne auf uns zu!

Ein Beitrag von Rechtsanwalt Dr. Alexander Ebert, Fachanwalt für Steuerrecht, Fachanwalt für Arbeitsrecht und Jan-Frederic Becker, Rechtsanwalt vom 06.10.2022